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Politischer Jahresrückblick 2025

Marc Kollmeier
Marc Kollmeier |

 

Ein Jahr der Verschiebungen – und was 2026 bringen könnte

Das politische Jahr liegt hinter uns, und wie so oft fühlt es sich an, als wären gleich mehrere Jahre auf einmal vergangen. Kaum ein Monat ohne Krise, kaum eine Woche ohne neue Debatte. Gleichzeitig hat sich unter der Oberfläche etwas Grundlegendes verschoben: Prioritäten, Machtverhältnisse und auch das politische Selbstverständnis vieler Gesellschaften.

Ein Jahr der Dauerkrisen – und der Gewöhnung

Auch in diesem Jahr blieb Politik vor allem Krisenmanagement. Internationale Konflikte, wirtschaftliche Unsicherheit, steigende Lebenshaltungskosten und die Folgen des Klimawandels prägten die Schlagzeilen. Auffällig war weniger das Auftreten neuer Probleme als vielmehr die Tatsache, dass viele dieser Krisen längst zum politischen Alltag geworden sind.

Diese Gewöhnung hat zwei Seiten: Einerseits routiniertere Abläufe und mehr Erfahrung im Umgang mit Ausnahmesituationen. Andererseits wächst eine gefährliche Müdigkeit – bei Regierungen wie bei Bürgerinnen und Bürgern. Politische Entscheidungen wurden häufiger als alternativlos kommuniziert, während langfristige Visionen oft auf der Strecke blieben.

Demokratie unter Druck

Ein zentrales Thema des Jahres war der Zustand der Demokratie. Polarisierung, Misstrauen gegenüber Institutionen und der Erfolg populistischer Erzählungen waren in vielen Ländern spürbar. Wahlen wurden zunehmend emotional geführt, soziale Medien verstärkten Konflikte, und politische Kompromisse galten immer öfter als Schwäche.

Gleichzeitig zeigte sich aber auch eine Gegenbewegung: Zivilgesellschaftliches Engagement, Proteste für demokratische Werte und eine wachsende Sensibilität für Desinformation. Demokratie wirkte nicht nur fragil, sondern auch umkämpft – und genau darin liegt vielleicht ihre größte Stärke.

Wirtschaft, Transformation und soziale Fragen

Wirtschaftspolitisch stand das Jahr im Zeichen der Transformation. Der Umbau von Industrie, Energieversorgung und Arbeitsmärkten wurde nicht mehr nur als Zukunftsprojekt diskutiert, sondern als akute Notwendigkeit. Dabei traten soziale Fragen stärker in den Vordergrund: Wer trägt die Kosten des Wandels? Wer profitiert, wer verliert?

Viele Regierungen versuchten, den Spagat zwischen Wettbewerbsfähigkeit und sozialem Ausgleich zu meistern – mit gemischtem Erfolg. Klar wurde: Technologischer Fortschritt allein reicht nicht aus, wenn er nicht von politischem Gestaltungswillen und gesellschaftlichem Dialog begleitet wird.

Außenpolitik: Eine Welt in Bewegung

International blieb die Lage angespannt. Alte Allianzen wurden überprüft, neue Partnerschaften gesucht. Die Idee einer stabilen, vorhersehbaren Weltordnung wirkte brüchiger denn je. Gleichzeitig gewann die Erkenntnis an Bedeutung, dass nationale Alleingänge langfristig kaum tragfähig sind.

Außenpolitik wurde damit wieder stärker zur Innenpolitik: Fragen von Sicherheit, Energie, Migration und Handel beeinflussten unmittelbar die politische Stimmung im eigenen Land.

Ausblick auf 2026: Zwischen Entscheidung und Ermüdung

Der Blick nach vorn ist ambivalent. 2026 könnte ein Jahr der Entscheidungen werden – oder eines des politischen Stillstands. Viel hängt davon ab, ob es gelingt, aus dem reaktiven Krisenmodus auszubrechen und wieder stärker gestaltend zu agieren.

Drei Punkte dürften dabei entscheidend sein:

  1. Vertrauen zurückgewinnen: Politik wird sich daran messen lassen müssen, ob sie nachvollziehbar, ehrlich und konsistent handelt.

  2. Langfristige Ziele definieren: Ob Klimapolitik, soziale Sicherheit oder geopolitische Strategie – ohne klare Richtung droht weiteres Abdriften.

  3. Gesellschaftliche Beteiligung stärken: Entscheidungen über Transformation und Verteilung lassen sich nur gemeinsam tragen.

Fazit

Das vergangene Jahr war kein Jahr der großen Durchbrüche, aber eines der wichtigen Weichenstellungen. Viele Entwicklungen sind noch offen, vieles wirkt unfertig. 2026 bietet die Chance, aus Erfahrungen zu lernen – oder sie zu wiederholen.

Ob Politik wieder mehr Hoffnung als Erschöpfung auslöst, wird nicht nur von Regierungen abhängen, sondern auch davon, wie aktiv Gesellschaft diese Prozesse begleitet. Sicher ist nur: Langweilig wird es nicht.

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